„Ich freue mich im Herrn, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott; denn er hat mir die Kleider des Heils angezogen und mich mit dem Mantel der Gerechtigkeit gekleidet.“
(Jesaja 61,10) Weihnachten steht vor der Tür. Ja, – ganz ehrlich! Freude ist angesagt, auf allen Kanälen. Es rieselt leise der Schnee schon seit Wochen – aus den Lautsprechern im Kaufhaus; die Freude brüllt marktschreierisch über den Trubel der Weihnachtsmärkte, über die ein süßlicher Glühweinduft wabbert. Muss Weihnachtsfreude künstlich erzeugt werden? Weil wir uns guten Gewissens nicht freuen können? Es wird auch während der Feiertage weiter gebombt, gemordet, entführt und vergewaltigt. Die Katastrophen dieser Welt kennen keine Weihnachtsferien. Ist also Freude fehl am Platz; das “ich freue mich und ich bin fröhlich” angesichts der Weltlage und der Stimmung in Deutschland nichts als Heuchelei?

Die Freude des Propheten ist immer noch „Up-to-date“. Er nennt die elenden Zustände seiner Zeit beim Namen, spricht von Trümmern und verödeten Städten, von Menschen mit gebrochenen Herzen, von Trauernden, Gefangenen, Blinden, von Mutlosen und auch von den Ausländern im Land. Doch er tut das als Botschafter Gottes, der gute Nachrichten überbringt. Als Jesus in der Synagoge seiner Heimatstadt Nazareth die Lesung übernimmt, wählt er genau diese gute Nachricht aus Jesaja, um das “Gnadenjahr des Herrn” anzukündigen. Und er fügt hinzu: „In mir hat sich dieses Evangelium jetzt erfüllt“. Jesus Christus ist mit seiner Ankündigung die Verkörperung der Freiheit, die Realität gewordene Befreiung, nur in weit umfassenderem Sinn: für alle Menschen, für die ganze Schöpfung.

Alle Menschen können sich freuen, nicht nur der Eine oder Andere, dass sie mit dem “Anzug des Heils” und dem “Mantel der Gerechtigkeit” bekleidet worden sind. Das ist halt nicht nur so ein Stück Stoff, der uns warm hält oder schick macht. “Zieht an” – den neuen Menschen, nämlich Jesus Christus. Er ist unser Edelzwirn. Er ist nicht nächstes Jahr aus der Mode wie all die schicken Lifestyleklamotten, die manche sich zu Weihnachten wünschen. Wir sollten aber auch begreifen: Christus ist auch unser Arbeitsanzug, der uns täglich begleitet und uns vor Verletzungen schützt. Er ist vor allem aber die Liebe, die wir anziehen, um den Menschen zu dienen. Nein, die Freude am Heil macht nicht passiv und egoistisch, auch zu Weihnachten nicht. Sie will, dass auch die Mutlosen und Traurigen, die Fremden und Gefangenen etwas davon haben. Geben wir Ihnen etwas davon ab!

Björn Wiesemann

Andacht Dezember 2004